Grenzgänger zwischen den Welten helfen die demografische Lücke in der Digitalisierung zu schließen

Ist Digitalisierung eine Generationenfrage?

Auf dem Scrum Day 2021 Ende September nahm ich an einem Vortrag teil, der mich aufmerken ließ. Die junge Referentin machte deutlich, wie dringend wir Menschen brauchen, die helfen die Lücke zu schließen, die sich durch den Demographischen Wandel spürbar auftut. Die Herausforderung: Immer weniger Vertretern der so genannten „Digital Natives“ stehen immer mehr „Digital Immigrants“ gegenüber.

„Reverse Mentoring“ nennt man es übrigens, wenn „die Jungen“ uns „Alte“ „aufschlauen“, in Bezug auf Digitalisierung und Soziales Netzwerken, aber auch im Hinblick auf die damit verbundenen Werte, Mindset, New Work, Leadership, Agilität, Change Prozesse etc., also allem, was die so genannte VUCA Welt mit sich bringt.

Da haben wir offensichtlich ein Problem: Woher nehmen wir dann die „Jungen“, wenn nicht klonen ;-).

Und noch eine Erkenntnis möchte ich hier mit euch teilen, die ich letzte Woche auf dem jakobb – dem Jahreskongress Berufliche Bildung -, hatte. Wie selbstverständlich gehen wir davon aus, dass die „Digital Natives“ alles Digitale gleichermaßen schnell verstehen und beherrschen. Doch auch hier gilt: Vorsicht mit Verallgemeinerungen! Im Kontext von Homeschooling zeigte sich nämlich, dass viele jungen Menschen trotz digitaler Affinität komplett überfordert sind, wenn sie plötzlich mit Collaboration Tools, digitalen Whiteboards, Lernplattformen, Kanban-Boards etc. konfrontiert werden. Ihre Erfahrungen als großartige Netzwerker, die wie selbstverständlich auf Plattformen wie Instagram ein und aus gehen, konnten sie dort nicht einbringen. Wenn man sie aber fragt, wie man Videos erstellt, sie mit Sound hinterlegt und wie man auf die Zielgruppe eingeht, um mehr Aufmerksamkeit zu erlangen, dann fördert es die Leichtigkeit zutage, die sie im Umgang mit Digitalem entwickelt haben.

Wir haben also in beiden Welten Wissensgaps in Bezug auf Digitalisierung, auch wenn diese ganz unterschiedlich ausgeprägt sind und in unterschiedlichen Kontexten zum Ausdruck kommen.

Lasst uns also jetzt die Wissenslücken schließen und alle Kompetenzen bündeln, um den Herausforderungen der Zukunft gelassen begegnen zu können.

Es lässt sich nicht mehr leugnen: Wir kommen um die sich ausbreitende Digitalisierung in Deutschland nicht mehr drumherum. Sie ist allgegenwärtig. Unsere Welt wird nicht mehr weniger komplex, weniger schnell, weniger verwirrend, auch wenn wir uns das vielleicht manchmal wünschen würden. Viele Unternehmen haben sich schon auf den Weg „ins neue Land“. Doch so ein Prozess braucht Mut, Zeit und erfahrene Begleiter, also Vermittler, die die unterschiedlichen Bedürfnisse und digitalen Erfahrungen verstehen, aufgreifen und dort Unterstützung geben, wo sie gerade gebraucht wird. Auch die schulische und berufliche Bildung hat endlich erkannt, dass sich hier was tun muss, doch dieser Transformationsprozess verspricht langwierig zu werden. Da braucht es schneller Hilfe.

Wer kann das also machen? Mein Vorschlag: Nehmen wir doch einfach die, von denen es viele gibt, die Lebens- und Berufserfahrung mitbringen, die die digitale Landschaft kennen und wissen, wie man in unwägbaren Gewässern navigiert … und lehren wir sie das, was sie darüber hinaus noch brauchen. Schaffen wir uns also erfahrene Grenzgänger, Übersetzer, die beide Welten verstehen und deren Sprachen sprechen, die Erfahrung haben, beruflich, mental und methodisch. Menschen, die von dem begeistert sind, was sie tun. Die wissen, wie man diesen Funken entflammt und andere begeistert. Die das Handwerkszeug beherrschen und die Ruhe mitbringen, um Menschen in einem langen Veränderungsprozess zur Seite zu stehen.

Ja, es gibt sie tatsächlich, doch leider viel zu wenige davon.

Solche Grenzgänger und Brückenbauer bilde ich zusammen mit engagierten Trainern und Trainerinnen seit 2019 aus. Sie nennen sich „Digitalisierungspädagog*innen“. Ein anfangs etwas irritierende Wortschöpfung, zugegeben, die nicht sofort eingängig ist. Was hat denn Digitalisierung mit Pädagogik zu tun, mögen sich viele denken – und auch ich konnte mir ein anfängliches Lächeln nicht verkneifen. Doch während ich meinen Part in dieser Ausbildung konzipierte, wurde mir immer klarer, wie treffend diese Berufsbezeichnung gewählt ist  – ihrer Zeit voraus.

Die Digitalisierungspädagog*innen werden von uns Dozent*innen mit all dem Rüstzeug ausgestattet, was sie brauchen, um Orientierung zu geben, Ängste zu nehmen, Wissen zu vermitteln, im Change Schritt für Schritt zu begleiten und ganz praktisch genau dort anzupacken und zu unterstützen, wo es gerade gebraucht wird.

Lehren ist weit mehr als reine Wissensvermittlung.

Ich lege in meinen Trainings alles in die Waagschale, was ich an Wissen, Tools und Erfahrung zu bieten habe und versuche vorzuleben, was ich lehre. Verpackt ist alles in meinen Modulen zu „Agilem Arbeiten & Design Thinking“ und „Leadership & Change“. Doch worum es mir im Wesentlichen geht, ist meinen Student*innen zu zeigen, dass sie selbst Schöpfer einer besseren Welt sein können – und wie viel Freude es macht, wenn wir dabei eine freundliche und wohlwollende Haltung einnehmen, gegenüber uns selbst und anderen. Erst dann machen die vielen Methoden und Tools Sinn, erst dann fallen sie auf fruchtbaren Boden. Eine Ableitung der Prime Directive von Norm Kerth ist für mich Ausgangspunkt jeder Zusammenarbeit und bildet das Fundament meiner Trainings:

Wir verständigen uns darauf und sind fest davon überzeugt, dass ALLE ihr Bestes geben, mit ihren Kenntnissen zum gegebenen Zeitpunkt, ihren Fertigkeiten und Fähigkeiten, den verfügbaren Mitteln, den gegebenen Rahmenbedingungen und in der konkreten Situation.

Dieser Leitsatz zusammen mit den agilen Werten, Selbstfürsorge, klaren Zielen und der Beschluss, dass wir bei dem was wir gemeinsam erschaffen Sinn stiften und Spaß haben, klingt für mich nach einem guten Rüstzeug, um die Generationen-Lücke für einen nächsten Schritt in der Digitalen Transformation zu schließen – nun ja, zumindest was meinen Part anbetrifft.

Was mich gerade sehr beschäftigt.

  • Man sollte meinen, diese hervorragend ausgebildeten „Grenzgänger“ würden noch während der Ausbildung abgeworben, könnten sich aussuchen, wo sie arbeiten – leider nein!
  • Man sollte auch denken, dass diese Qualifizierungsmaßnahme keine Probleme haben sollte Teilnehmer zu bekommen – doch auch hier leider nein! Der dritte Lehrgang kam in 2021 mangels Teilnehmer nicht zustande.
  • Es wäre auch naheliegend, dass jedes große Unternehmen gerne so eine Qualifizierungsmaßnahme als festen Bestandteil ihrer Akademie haben möchte – zumindest wäre das wünschenswert. Bisher ist mir zumindest davon noch nichts zu Ohren gekommen.

Mein Versprechen.

Ich möchte mein Wissen, meine Erfahrungen und meine Haltung mit anderen teilen, sie inspirieren, sie begeistern und mit ihnen wachsen und lernen – wenn nicht im Rahmen dieser Qualifizierungs-Maßnahme, dann vielleicht irgendwann doch über eine eigene kleine Akademie mit weiteren wundervollen Trainern – natürlich mit viel S.M.I.L.E :-).

Auf der Website www.digipaed.net erfahrt ihr fürs erste einmal mehr über die Digitalisierungspädagog*innen – in ihrern eigenen Worten, aus der eigenen Feder, mit ihren eigenen Augen gesehen und ihren eigenen Ohren wahrgenommen.

Lasst uns zusammen etwas verändern.

Macht Werbung für diese wundervollen Menschen, die Deutschland so guttun würden. Anscheinend sind sich immer noch viel zu wenig Unternehmen bewusst, wie dringend sie diese Unterstützung brauchen. Schnappt sie euch oder meldet euren Bedarf an, damit es noch viele weitere Generationen von solchen Grenzgängern geben kann.